„Anfang 2025 dachten viele, die KI fährt gegen die Wand.“ Doch Philipp Klöckner hat auf den Online Expert Days klargestellt: Wir erleben gerade keine Stagnation, sondern die Ruhe vor dem nächsten Sturm.
Während Deep-Think-Modelle günstiger werden und „Agents“ das Shopping übernehmen, müssen wir uns fragen: Brauchen wir in 10 Jahren überhaupt noch Websites? Hier sind die 5 Thesen für die Zukunft des Marketings.
Jede Technologie durchläuft den klassischen Gartner Hype Cycle. Nach dem Gipfel der überzogenen Erwartungen folgt unvermeidlich das „Tal der Enttäuschung“. Genau in diese Phase treten wir jetzt ein.
Doch das ist keine schlechte Nachricht für dein Business, im Gegenteil: Es ist der notwendige Filter, der bloße Spielerei von echter wirtschaftlicher Wertschöpfung trennt.
Philipp Klöckner, Tech-Analyst und Host des Doppelgänger-Podcasts, lieferte fünf Thesen, die zeigen, dass die Disruption nicht abgesagt, sondern nur erwachsener geworden ist.
These 1: Apple – Der „Fast Follower” übernimmt dein Ohr
Apple wird im KI-Rennen oft unterschätzt, weil sie bisher keine lauten Launches wie ChatGPT hingelegt haben. Doch das ist Teil ihrer DNA. Apple war nie der First Mover – weder beim MP3-Player, noch beim Smartphone oder Tablet. Sie waren immer der Fast Follower, der eine Technologie erst dann adaptiert, wenn sie perfektioniert ist.
Ihr strategisches Ass im Ärmel sind die AirPods. Die Logik ist simpel: Wer KI im Alltag wirklich nutzt, will nicht tippen, er will sprechen. Mit den AirPods besitzt Apple den exklusiven Zugang zu deinem Ohr und damit die Schnittstelle für die natürlichste Form der KI-Interaktion.
Kombiniert mit dem Potenzial eines „Private AI Data Centers“ (da aus Datenschutzgründen alles kontrolliert werden muss), könnte Apple Sicherheit zum ultimativen USP in einer Welt voller Datenlecks machen.
These 2: Google – Wette nie gegen den Riesen
In den letzten Monaten wurde Google oft vorschnell abgeschrieben. „ChatGPT ist der Google-Killer“, hieß es in den Schlagzeilen. Doch diese Einschätzung ignoriert die fundamentale Machtstruktur des Internets. Kein Unternehmen der Welt ist besser auf das KI-Zeitalter vorbereitet als der Suchmaschinen-Gigant.
Der Grund dafür liegt in der Historie: Google hat bereits 2002 begonnen, mit Google Books das Wissen der Welt zu digitalisieren. Sie besitzen mit Search, Maps und YouTube den größten proprietären Datenschatz der Menschheitsgeschichte.
Klöckner warnt vor dem „Nanobanana“-Effekt: Es braucht oft nur ein einziges, extrem gut integriertes Produktupdate im Google-Kosmos (Gemini), um Marktanteile massiv zu verschieben. Wer gegen Google wettet, wettet gegen die Infrastruktur des Internets.
These 3: The Agentic Web – Das Ende der Website?
Dies ist die wohl radikalste These für jeden Marketing-Entscheider: „In 10 Jahren ist eine Website das, was heute ein gedruckter Katalog ist.“
Wir bewegen uns weg vom klassischen Browsing hin zum Agentic Web. In Zukunft werden wir nicht mehr selbst stundenlang nach Produkten suchen. KI-Shopping-Agents – wie Amazon Rufus oder kommende OpenAI-Tools – werden das für uns erledigen.
OpenAI plant bereits, einen Shopping Agent zu bauen, der ähnlich wie Amazon funktioniert. Die Konsequenz: Du gibst deinem Agenten nur noch das Ziel vor („Laufschuhe, 150 €“), und er kauft autonom. Wenn primär Maschinen deine Seite besuchen, wird „User Experience“ zweitrangig. Deine Website wandelt sich von einem Showroom zu einer reinen Datenbank für Bots.
These 4: Persuasive AI – Psychologie schlägt Targeting
Vergiss alles, was du über Zielgruppen-Targeting weißt. Die nächste Stufe der Werbung heißt Persuasive AI. KI-Modelle sind heute schon 21 % besser darin, die Meinung von Menschen zu verändern, als Menschen selbst. Je mehr Daten das Modell über dich hat, desto manipulativer wird es – die Überzeugungskraft steigt auf bis zu 80 %.
Das Szenario der Zukunft ist nicht mehr die plumpe Banner-Werbung. Stattdessen spielen Algorithmen dir organisch wirkenden Content zu, der dich unterbewusst beeinflusst und eine Kaufentscheidung herbeiführt, bevor du überhaupt weißt, dass du das Produkt willst. Das ist das Ende der klassischen Werbung und der Beginn der psychologischen Einflussnahme.
These 5: Amazon – Der totale Infrastruktur-Anbieter
Amazon wächst, aber sie brauchen riesige neue Märkte, um dieses Wachstum zu halten. Klöckner sieht Amazon in Zukunft nicht mehr nur als Händler, sondern als Komplettanbieter für Infrastruktur. Amazon sucht nach Märkten, die schlecht funktionieren und riesig sind.
Die Antwort: ISP (Internet Service Provider) und TV. Mit Satelliten-Internet und dem Einstieg ins TV-Geschäft könnte Amazon die komplette Kette kontrollieren: Vom Internetzugang über das Fernsehprogramm bis hin zur individualisierten Werbung, die direkt zum Kauf führt. Hyperpersonalisierung auf einem neuen Level.
Fazit: Humanity’s Last Exam
Was bleibt also für uns Marketer, wenn KI besser textet, besser plant und Amazon die Infrastruktur besitzt? Klöckner nennt es „Humanity’s Last Exam“.
Der Begriff bezieht sich auf eine Initiative, die versucht hat, Fragen zu finden, die eine KI nicht lösen kann. Das Ergebnis ist ernüchternd: Mit der Zeit löst die KI immer mehr dieser angeblich „unlösbaren“ Aufgaben. Aktuelle KI-Modelle erreichen in IQ-Tests Werte von über 145 – das ist Nobelpreisträger-Niveau.
Warum wir trotzdem gebraucht werden: Unser Gehirn funktioniert als „Mix of Experts“ – je nach Aufgabe wird ein anderer Teil beansprucht. Moderne KI-Architekturen kopieren dieses Prinzip, um effizienter zu werden (Deep Think). Doch genau hier liegt unsere letzte Bastion:
- Vom Antworten zum Fragen: Wenn die KI jede Antwort in Sekunden liefern kann, verliert die Antwort an Wert. Der Wert verschiebt sich zur Fähigkeit, die richtige Frage zu stellen.
- Strategie & Ethik: Die KI kann ausführen, aber wir müssen entscheiden, was ausgeführt werden soll. Wir werden von „Creators” zu „Editors“ und „Orchestrators”.
- Human in the Loop: In einer Welt voller synthetischer Perfektion wird die menschliche Unvernunft, Intuition und Empathie zum Premium-Feature.
Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang einer neuen Arbeitsteilung. Die „letzte Prüfung“ besteht darin, ob wir bereit sind, die Führung abzugeben und stattdessen die Richtung vorzugeben.
Bereit für die Zeit nach dem Hype? Lass uns deine Strategie so aufstellen, dass sie auch im „Agentic Web“ funktioniert. #letsgrowtogether
















