Wir waren auf der OMX in Salzburg und sind mit einer schmerzhaften, aber absolut notwendigen Erkenntnis zurückgekommen: Wir – und damit meine ich die gesamte Marketing-Branche – müssen aufhören, langweiligen „Boss Content“ zu produzieren.
Wenn Marco Gilly von Mawave Marketing die Bühne betritt, dann nicht, um Händchen zu halten.
In seinem Vortrag „ROAST MY CONTENT – Diese Fehler macht JEDER Social-Media-Manager” legte er den Finger tief in die Wunde. Seine These ist so simpel wie erschreckend: 80 bis 90 % des Firmen-Contents da draußen ist schlichtweg schlecht.
Es ist Einheitsbrei. Es ist unsichtbar. Es ist das Ergebnis von „Inside-the-Box”-Denken, bei dem wir versuchen, es Vorgesetzten, Brandmanagern und der „Brand Safety“ recht zu machen, statt der einzigen Gruppe zu dienen, die zählt: der Community.
Hier nehme ich euch mit durch meine ausführlichen Notizen und die wichtigsten Learnings aus Marco Gillys „Roast”. Erfahrt, warum wir alle mutiger sein müssen und wie wir aus der Falle der Mittelmäßigkeit entkommen.
Das Problem: Die Angst vor dem Risiko macht uns zu “Losern”
Marco startete mit einer Provokation: „Die meisten Social Media Manager sind Loser.” Warum? Weil wir Verwalter des Status Quo geworden sind.
Wir alle kennen die internen Feedback-Schleifen: „Ist das noch Brand Safe?”, „Was sagt die Geschäftsführung dazu?”, „Können wir das nicht ein bisschen seriöser machen?”. Das Ergebnis dieser Fragen ist Content, der niemanden stört – aber eben auch niemanden interessiert. Das Resultat ist 0 % Wahrnehmung.
Marco brachte einen Vergleich, der sitzt: Sogar der WhatsApp-Status seiner Mutter ist oft spannender, varianter und kreativer als das, was große Brands mit Millionenbudgets posten.
Warum? Weil der Status der Mutter authentisch ist. Er ist unerwartet. Er folgt keinem Corporate Design Manual, das jede Regung von Leben erstickt. Wenn alle Firmenkanäle gleich aussehen, erinnern sich die Nutzer an niemanden. Das bleibt nicht hängen.
First Mover vs. Copycat: Das Lidl-Phänomen
Kreativität funktioniert, aber sie hat oft ein Verfallsdatum. Marco nannte das Beispiel der Verlobungsringe von Ronaldo oder Taylor Swift, die viral gingen. Lidl reagierte blitzschnell und adaptierte das Thema genial. Das funktioniert genau einmal.
Das Problem entsteht, wenn wir danach versuchen, denselben Trend drei Wochen später auch noch zu „melken“. Dann ist es nur noch Rauschen.
Die Lektion hier: Macht etwas Unerwartetes. Schaut euch an, was die anderen machen, und dann macht bewusst etwas anderes.
Die Lösung: Be Bold – Die „Rewe-Pinkel-Metapher“
Statt uns immer wieder zu fragen: „Welchen Trend kann ich sicher nachmachen?”, sollten wir fragen: „Wer verkörpert das Gegenteil?” oder „Würde ich mir das privat selbst ansehen?”.
Ein drastisches Beispiel aus dem Vortrag, das definitiv hängen geblieben ist (und das ist ja der Sinn): Ein Szenario, in dem ein Rewe-Mitarbeiter auf einen Kunden pinkelt. Klingt schrecklich? Absolut. Ist es Brand Safe? Auf keinen Fall.
Aber: Es wäre mutig, unerwartet und bricht mit jeder Konvention. Es würde keine negativen Kommentare im Sinne von „Langweilig” geben, sondern maximale Aufmerksamkeit.
Natürlich sollen wir nicht wörtlich auf Kunden pinkeln. Aber wir müssen metaphorisch genau diesen Schockmoment suchen. Wir müssen uns trauen, „Unhinged Content” zu produzieren.
Die Werkstattkette ATU macht es mit Maddy auf Social Media vor: Videos, die so drüber sind, dass man nicht wegsehen kann. Und der Erfolg gibt ihnen recht.
Der Mythos Kreativität: Warum Brainstorming oft Zeitverschwendung ist
Ein besonders spannender Teil des Vortrags war der wissenschaftliche Blick auf Kreativität. Marco Gilly zitierte den Persönlichkeitspsychologen Ernst Hany von der Uni Erfurt: „Kreativität ist nur sehr bedingt trainierbar.” Es ist ein Talent.
Das ist eine harte Pille für alle, die glauben, man könne Kreativität in einem Workshop „erzwingen“. Aber es gibt einen Ausweg, wenn man den Prozess ändert:
- Kein Brainstorming zu Beginn: Setzt euch nicht in einen Raum und sagt „Jetzt seid mal kreativ“. Das blockiert. Die besten Ideen entstehen individuell – der klassische „Kreative Moment“ unter der Dusche oder mitten in der Nacht.
- Erst individuell, dann Team: Sammelt Ideen alleine, wenn ihr im Flow seid. Nutzt das Brainstorming erst im zweiten Schritt, um diese Rohdiamanten zu schleifen.
- Adaptieren statt Kopieren: Marc Randolph (Netflix Co-Founder) sagte: „It’s not about having good ideas.“ Es geht oft gar nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Es geht darum, Erfolgsformate zu erkennen und sie intelligent auf die eigene Brand zu adaptieren.
Fazit: 4 Learnings für besseres Marketing bei klixpert.io
Am Ende des Vortrags standen vier klare Leitsätze, die wir uns ab sofort zu Herzen nehmen werden:
- Kreativität ist KEY: Ohne eine zündende, originelle Idee hilft das beste Media-Budget nichts. Wenn du denkst „Ich bin unkreativ“, umgib dich mit kreativen Menschen oder ändere deinen Prozess.
- Adaptiere Erfolgsformate: Schau nicht auf die Konkurrenz in deiner Nische (die ist meistens genauso langweilig), sondern auf erfolgreiche Creator und Brands in anderen Bereichen.
- Jede Community tickt anders: Social Listening ist Pflicht. Nur weil etwas bei Nike funktioniert, muss es bei einem B2B-Softwareanbieter nicht klappen. Hör auf deine eigene Community, nicht auf Branchen-Standards.
- Guter Content ist kein Boss Content: Das ist vielleicht das wichtigste Learning. Wenn dein Chef den Post nicht mag, weil er zu „frech“ oder zu „anders“ ist, dann ist das oft ein gutes Zeichen. Wir posten nicht für den Vorstand, wir posten für den Feed.
Seid mutig. Macht etwas Unerwartetes. Und hört auf, Content für den Konferenztisch zu produzieren.
Und nun „BE BOLD!”, wie Markus Gilly mehrfach in seinem motivierendem Vortag sagte.
















